100 Jahre Peter Dornier – „Vom Menschenflug zum Fadenflug“
Im Jahre 1950 hat er die „Lindauer DORNIER GmbH“ (LiDO) gegründet und die Firma über Jahrzehnte erfolgreich geführt. Er war nicht nur in der Welt der Textilmaschinen zu Hause, sondern auch in der des Flugzeugbaus – als aussergewöhnlicher Konstrukteur und Unternehmer, der seiner Zeit zum Teil weit voraus war: Peter Dornier. Am 31. Januar jährt sich der Geburtstag des zweitältesten Sohns von Flugzeugpionier Claude Dornier zum 100. Mal. Ideen, Konstruktionen, Versuche – in diese Welt des Flugzeugbaus wird Peter Dornier am 31. Januar 1917 in Friedrichshafen hineingeboren. Bereits als Jugendlicher beginnt er, Konstruktionszeichnungen anzufertigen und sie gemeinsam mit Notizen in Skizzenbüchern festzuhalten. Das Studium der Luftfahrt-Technik an der Technischen Hochschule München schliesst Peter Dornier 1944 als Diplom-Ingenieur ab. Schon während seiner Ausbildung überträgt ihm sein Vater im Dornier Werk Friedrichshafen-Manzell Aufgaben. Schnell stellt sich heraus, dass seine unkonventionellen Ideen dem Flugzeugbau wichtige Impulse geben. Als junger Konstrukteur kommt er beispielsweise mit einem Projekt seines Vaters, einem Hochleistungs-Flugzeug für Geschwindigkeits-Rekorde, in Verbindung. Daraus entwickelt Peter Dornier zusammen mit Oberingenieur Eugen Jäger, das Konzept der Do 335, des damals schnellsten Propellerflugzeugs der Welt. Für diese Errungenschaft wird er 1944 mit einem Preis der Lilienthal-Gesellschaft ausgezeichnet. Entscheidende Impulse von ihm kommen dann später in den 1960er Jahren auch für die Entwicklung und den Bau der Do 31, dem bis heute einzigen Transportflugzeug mit Jet-Antrieb, das senkrecht starten und landen kann.
Mit Ende des Zweiten Weltkriegs steht die Firma Dornier vor dem Nichts: Zerstörte oder beschlagnahmte Maschinen und Werke sowie das Verbot der Alliierten, im Flugzeugbau tätig zu sein, verhindern jegliche industrielle Tätigkeit. Claude Dornier wird von den französischen Truppen unter Hausarrest gestellt. In diesen schwierigen Zeiten beweist Peter Dornier seine Fähigkeiten als Unternehmer: Er gründet 1946 ein Ingenieurbüro und stellt Untersuchungen über Windkraftanlagen an. Um die grosse Wohnungsnot zu lindern und möglichst viele „Dornianer“ aus der Firma seines Vaters wieder in Arbeit und Brot zu bekommen, plant er, aus Aluminium so genannte „Wohnzeuge“ als transportable Fertighäuschen zu bauen. Bedauerlicherweise scheitert sein Vorhaben – es fehlt an Kapital, die Fertigung ist zu teuer. Peter Dornier muss seine Idee verwerfen. 1949 bekommt Peter Dornier das besetzte Werk Rickenbach wieder frei. Im Juli des folgenden Jahres gründet er die „Lindauer DORNIER GmbH“; 14 Menschen arbeiten zunächst dort. Eine entscheidende Wende im Fertigungsprogramm bringt die Begegnung mit dem Direktor der Textilfirma Erba in Wangen, der ihn bittet, Schützenwebstühle für sein Werk zu bauen.
Der Startschuss für den Bau von Webmaschinen, der bis heute ein wichtiges Standbein der LiDO darstellt. Damals bereits entwirft Peter Dornier einen völlig gekapselten Webstuhl, wie Notizen in seinen Skizzenbüchern belegen. Seine Idee: Jeden einzelnen Webstuhl klimatisieren, um Energie zu sparen sowie den anfallenden Staub, der das Gewebe verschmutzt, sammeln und abtransportieren. Durch die Einhausung der Maschine soll der in der Schützenweberei unerträgliche Lärm reduziert werden. Für die damalige Zeit ist dieses Konzept zwar revolutionär, aber leider zu teuer. Erst Jahrzehnte später gehen solche Entwicklungen in Serie.
Schon Anfang der 1960er Jahre, zu einer Zeit, als das Webstuhlgeschäft noch auf Hochtouren läuft, erkennt Peter Dornier, dass mit dem Aufkommen der schützenlosen Webmaschinen ein neues Zeitalter anzubrechen beginnt. In einer intensiven Studie, die gleichfalls in dem erwähnten Skizzenbuch enthalten ist, setzt er sich mit Überlegungen zu einem neuen Maschinenkonzept auseinander. Er entwirft eine mehrbahnige Webmaschine, deren Antrieb in der Mitte, zwischen den vier Gewebebahnen, liegt. Als denkbare Hilfsmittel für den Transport des Schussgarns dieser schützenlosen Webmaschine erwog Peter Dornier den Einsatz von Luft, Wasser, eines Greifers oder Projektils. Er entscheidet jedoch, den komplexen Webautomaten nicht zu verwirklichen, sondern stattdessen eine Greiferwebmaschine zu bauen. Der Erfolg dieser Webmaschine stellt sich Ende der 60er Jahre ein. Peter Dornier hat eine Webmaschine geschaffen, die sehr flexibel einsetzbar ist, deren solide Konstruktion die Herstellung vor allem auch technischer Gewebe ermöglicht und die damit den unverzichtbaren Strukturwandel der Textilindustrie hin zu technischen Textilien begünstigt.
Die Fähigkeit Peter Dorniers, Menschen zuzuhören, Anregungen aufzunehmen und daraus Chancen für neue Märkte zu entwickeln, führt auch zur Gründung des zweiten Geschäftsbereiches der Lindauer DORNIER GmbH, dem Sondermaschinenbau. Im Jahr 1950 lernen sich Peter Dornier und Hans Haubold kennen. Dieser hat vor dem Krieg in Chemnitz Textilveredlungsmaschinen produziert. Die beiden Unternehmer einigen sich schnell, dass DORNIER diese Maschinen in Lizenz bauen soll. Die hohe Qualität und Wirtschaftlichkeit der DORNIER Textiltrockner spricht sich rasch herum. Auch Unternehmer ausserhalb der Textilveredlung werden auf die Trocknungsanlagen aufmerksam. Als dann fünf Jahre später im Bereich der Folienverpackung, der Übergang von Zellophan auf erdölbasierte Verpackungsfolien erfolgt, suchen grosse Chemieunternehmen nach einer passenden Technologie. Es gelingt Peter Dornier mit seinen Mitarbeitern aus den Textiltrocknern, dafür Folienreckanlagen zu entwickeln, die heute das zweite, wichtige Standbein der Lindauer DORNIER GmbH darstellen.
Etwa zur gleichen Zeit, wird die Dornier GmbH in Friedrichshafen erneut gegründet und die LiDO in den Konzern integriert. Der Flugzeugbau wird wieder aufgenommen und Peter Dornier ist an verschiedenen Entwicklungen massgeblich beteiligt. Mit Beginn des Jahres 1961 widmet er sich auf Wunsch seines Vaters ganz der Lindauer DORNIER GmbH. Die Intensität der Entwicklungen im Web- und Sondermaschinenbau nehmen zu, das Unternehmen wächst stetig. 1985 soll die Dornier-Gruppe, zu der auch die Lindauer DORNIER GmbH gehört, an die Mercedes-Benz AG verkauft werden. Peter Dornier stimmt diesem Verkauf nur unter der Prämisse zu, dass ihm alle Anteile an der LiDO übertragen werden. Ein Glücksfall für das Unternehmen! Peter Dornier investiert grosse Beträge in die Erneuerung des Maschinenparks und der Fertigungsstätten. Gleichzeitig forciert er die Entwicklung und schafft eine der modernsten Textilmaschinenfabriken. All dies stellt den nachhaltigen Aufschwung der Lindauer DORNIER GmbH sicher und ist die Basis für das Wachstum zur heutigen Grösse. Das Familienunternehmen produziert derzeit mit ca. 1.000 Mitarbeitern Web- und Sondermaschinen ausschliesslich an zwei Standorten am Bodensee.
In Würdigung seiner Verdienste erhält Peter Dornier viele Auszeichnungen und Ehrungen. Das schönste Denkmal setzt er sich jedoch selbst, indem er 1985 die Peter Dornier Stiftung ins Leben ruft, in die jährlich zehn Prozent des Betriebsgewinns der Lindauer DORNIER GmbH fliessen. „Er wollte mit der Stiftung etwas von dem an die Allgemeinheit zurückgeben, was er an materiellen Werten mit seinen Mitarbeitern geschaffen hat“, sagt Maja Dornier, die nach dem Tode ihres Ehemanns am 28. Januar 2002 den Vorsitz der Stiftung übernahm und diese seither in seinem Sinne fortführt. Seit Beginn seiner unternehmerischen Laufbahn hat Peter Dornier auf die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter vertraut und ihre Talente gefördert – gleichgültig, aus welchem Kulturkreis diese kamen. So basieren zwei entscheidende Webmaschinenentwicklungen, das Konzept der DORNIER Greifer- und Luftwebmaschine, auf den Ideen eines Griechen, Herrn Nikolaus Kokkinis, und eines Syrers, Dr. Adnan Wahhoud.
Am 31. Januar 2017 wäre Peter Dornier 100 Jahre alt geworden.