Peter Dornier-Stiftungspreis würdigt Neuentwicklung bei der Herstellung biologisch abbaubarer Folie für Lebensmittelverpackung
Ende September wurde erstmals der Peter Dornier-Stiftungspreis verliehen. Preisträgerin Dr. Verena Jost erhielt die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung für neueste Erkenntnisse zur Herstellung biobasierter und biologisch abbaubarer Folie. Der Preis wird von nun an jährlich für herausragende wissenschaftliche Arbeiten mit realisierbaren Ideen in den Bereichen Textiltechnik, Folientechnik und Composites sowie der Luftfahrt verliehen.
„Die Arbeit belegt die industrielle Machbarkeit einer vollständig biobasierten und kompostierbaren Verpackungsfolie aus Polyhydroxybuttersäure-co-hydroxyvaleriansäure “, sagte Dr. Andreas Rutz, Kurator für den Bereich Folientechnologie, in seiner Laudatio im Dornier Museum in Friedrichshafen. Dr. Rutz würdigte die 2019 veröffentlichte Dissertation von Verena Jost. Sie ist die erste Preisträgerin des Peter Dornier-Stiftungspreises, der pandemiebedingt mit einjähriger Verzögerung erst jetzt verliehen werden konnte. Die ausgezeichnete Arbeit befasst sich mit den Voraussetzungen zur Herstellung biobasierter und biologisch abbaubarer Folie aus dem Biopolymer Poly(hydroxybutyrat-co-hydroxyvalerat) (PHBV) als Ersatz für erdölbasierte Folienprodukte.
So undurchlässig wie Polyesterfolie
Die große Herausforderung bei Biopolymeren in der Folienherstellung: Weil sie von Natur aus keine optimalen Folieneigenschaften besitzen, muss man ihnen alle Vorteile hinzufügen, die herkömmliche, erdölbasierte Verpackungsfolien zum Schutz von Lebensmitteln auszeichnen. Etwa neun Jahre brauchte Jost am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV im bayerischen Freising, bis sie die richtige Additivierung gefunden hatte, die sich mit klassischer Folie messen kann: Eine Zwei-Schicht-Folie aus PHBV mit einer Alginat-Beschichtung, hergestellt auf einer Flachfolienanlage. Untersuchungen zeigten schnell: Die Permeation durch die „grüne Folie“, also die Durchlässigkeit des Materials für Sauerstoff und Wasserdampf, ist mindestens so gering wie bei der herkömmlichen Polyesterfolie. „Das ist eine erfreulich geringe Durchlässigkeit für ein Biopolymer“, so Jost in ihrer Rede bei der Preisverleihung vor den ca. 40 anwesenden Gästen.
Zukunftsvision: Folie aus Lebensmittelabfällen
Für PHBV hat sich Jost ganz bewusst entschieden. Das Material aus der Stoffgruppe der thermoplastisch zu verarbeitenden Polyester ist als Verpackungsmaterial zwar schon bekannt: Bereits 1975 wurde die erste biologisch abbaubare Shampooflasche daraus hergestellt. Doch bisher konnte sich das Biopolymer nicht in großem Stil durchsetzen. Laut Jost liegt das vor allem am aufwendigen Herstellungsprozess. PHBV wird von verschiedenen Mikroorganismen hergestellt, unter anderem können hierfür auch Restströme verwendet werden wie aus Abfällen der Bier- und Olivenölproduktion. Gegenüber dem bekannten, aus Mais gewonnenen Biopolymer Polylactid (PLA), das z.B. zu Spezialfolien verarbeitet wird, habe PHBV laut Jost jedoch einen entscheidenden Vorteil: Es gibt Untersuchungen, die die Herstellung von PHBV aus Siedlungsabfällen zeigen. „Da das Material thermoplastisch verarbeitbar ist, kann man es eben auch recyceln, was einen Kreislauf ermöglicht.“, so Jost, die derzeit als Wissenschaftlerin der Verpackungsentwicklung beim Babynahrungshersteller Hipp tätig ist. Jost plädiert deshalb dafür, den Gewinnungsprozess von PHBV im Rahmen weiterer Forschungs- und Entwicklungsarbeit weiter zu optimieren.
Von Anfang an auf Markttauglichkeit geachtet
Um der Neuentwicklung die Markteinführung zu erleichtern, habe Jost nach eigenen Angaben von Anfang an darauf geachtet, dass sich die PHBV-Folie auf klassischem Equipment, wie DORNIER es produziert, verarbeitet werden kann. Auf diesen Anlagen stellen Kunden in Asien und Europa nicht nur Verpackungsfolie für Lebensmittel, sondern auch Spezialfolien für Smartphones, Solarzellen und Batterien für Elektroautos her. Für die biologisch abbaubare Verpackungsfolie aus PHBV müssten neue Produktionsanlagen dem Material angepasst und nachgeordnete Prozesse optimiert werden. „Allerdings“, schränkt Jost ein, „ist noch weitere Forschung am Material nötig.“ So müssen die Migrationseigenschaften, also das Migrieren von Stoffen aus dem Verpackungsmaterial in das Lebensmittel, untersucht werden. Hinzu kommt: PHBV ist relativ spröde. Bisher wurde es als ungereckte Gießfolie verarbeitet. Um den gewaltigen Zugkräften standzuhalten, mit denen Folien auf den bis zu 150 Meter langen Reckanlagen in Form gebracht werden, müssen die Verarbeitungseigenschaften des PHBV weiter optimiert werden.
Nachhaltige Folie: Im Sinne des Stifters Peter Dornier
Für Laudator Dr. Rutz ist klar: „Die heute ausgezeichnete Arbeit ist ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zur Produktion nachhaltiger Folie im industriellen Maßstab.“ Als Maschinen- und Anlagenhersteller liege ein Schwerpunkt der Forschung und Entwicklung bei DORNIER darauf, diesen Entwicklungsprozess beschleunigt voranzutreiben. Maja Dornier, Vorsitzende der Peter Dornier Stiftung, erinnerte in ihrer Rede auch an den Gründer der Lindauer DORNIER GmbH: Peter Dornier (1917-2002). Auf eine Idee von ihm gehe der Preis zurück, der künftig alljährlich an junge Menschen als Anerkennung herausragender wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Leistungen im Bereich Technik verliehen werden soll. „Die Umweltverschmutzung mit Hilfe biologisch abbaubarer Folie zu reduzieren, wäre ein Ziel ganz im Sinne des Stifters gewesen“, so Maja Dornier.